Liebe Leser:innen,
fast täglich kommt es in Deutschland zu einem Femizid – ein erschreckendes Zeichen dafür, wie präsent und vielseitig Gewalt gegen Frauen* ist. Ob körperlich, psychisch oder strukturell, sie zeigt sich in unterschiedlichsten Formen: am Arbeitsplatz, im eigenen Zuhause, auf der Straße oder in gesellschaftlichen Normdiskursen. Frauen* werden dabei nicht nur marginalisiert und stereotypisiert, sondern auch häufig auf die Rolle von Objekten in öffentlichen Debatten reduziert. Diese Mechanismen wurzeln tief in patriarchalischen (Denk-)Strukturen, die das gesellschaftliche Denken bis heute maßgeblich prägen.
Wir sind überzeugt: Die Welt wird erst frei sein, wenn alle Frauen* frei sind. Frauen* sind keine Objekte, sondern lebendige Subjekte, deren Stimme eine Revolution verkörpert. Sie stehen nicht passiv am Rand, sondern kämpfen aktiv, lautstark und unbeirrt für ihre Rechte. Dieser Kampf spiegelt sich auch in der weltweiten Frauenbewegung wider, die unter dem Motto „Jin, Jiyan, Azadî“ (dt. Frau, Leben, Freiheit) die Solidarität und Macht von Frauen* eindrucksvoll zeigt.
Doch trotz dieser Errungenschaften werden die Kämpfe geflüchteter, migrantischer und marginalisierter Frauen* in den gesellschaftlichen Diskursen der Frauenbewegungen oft ignoriert. Ihre Stimmen und Erfahrungen, geprägt von Mehrfachdiskriminierung und oft unsichtbaren Widerständen, verdienen mehr Raum und Anerkennung. Denn die Geschichte der Frauenbewegung ist unvollständig, solange sie nicht die Vielfalt der Kämpfe und Perspektiven aller Frauen* umfasst.
Die zweite Ausgabe der ÇÎYA-Zeitschrift widmet sich daher der Sichtbarmachung von Frauenkämpfen, die im öffentlichen Diskurs nicht sichtbar sind. Entlang des roten Fadens „Frau*“ entrollen sich vielfältige Themen, die durch die Perspektiven von geflüchteten, migrantischen und marginalisierten Frauen* durchdrungen sind. In ihrem Artikel beleuchtet Ceren die harten Herausforderungen, denen Gastarbeiterinnen ausgesetzt waren, und die bis heute unzureichend anerkannte Bedeutung ihres Beitrags zum Aufbau Deutschlands. Dareenwidmet sich den unsichtbaren Kämpfen, mit denen geflüchtete Frauen* in Deutschland weiterhin konfrontiert sind – Kämpfe, die im Stillen fortbestehen. Julia schildert eindrücklich ihre Erfahrungen, in denen das „weiß-Sein in nicht-weißer Haut“ seine ambivalente Bedeutung offenbart. Janita-Maria öffnet in ihrem Text ein Fenster zu den 15 Jahren ihres Lebens als Frau in Obdachlosigkeit – ein Thema, das im öffentlichen Diskurs häufig nur als abstrakte Statistik existiert. Im Interview mit Layla erzählt sie uns über ihre Geschichte und ihren Kampf gegen das Patriarchat sowie ihren Weg als Model in Deutschland. Eze gibt uns einen Einblick in die Zwangsassimilation kurdischer Frauen* in der Türkei und hinterfragt die tiefgreifende Wirkung dieses Prozesses auf die Identitätsbildung. Sohaila schreibt in ihrem Text „Widerspruch“ über den gesellschaftlichen Anspruch auf den Körper der Frau* und die darin verankerten Erwartungen. Marta beleuchtet die Frage der Sichtbarkeit von migrantischen Frauen* und Mädchen in der Politik und fordert gezielte Maßnahmen, um ihre Partizipation zu fördern. Zahra gibt uns einen erschütternden Einblick in die Lebensrealität der Frauen* in Afghanistan, die unter der Herrschaft der Taliban zu einem Gefängnis geworden ist. Antonia beschreibt, wie der vorherrschende „Feminismus“ von weißen Erfahrungen geprägt ist und wie sich Diskriminierung gegenüber Schwarzen Frauen* an Universitäten manifestiert. Kaleidolicious erzählt, wie Normen, Geschlechterrollen und Binaritäten durchbrochen werden können – und wie dieser Bruch eine neue Form der Freiheit eröffnet. ÇÎYA schreibt in ihrem Text über ihre persönliche Erfahrung mit Abtreibung und reflektiert, wie der gesellschaftliche Diskurs am eigenen Körper spürbar wird. Shano schreibt in „Scheidung“ über die gesellschaftlichen Zwänge, mit denen Frauen* bei der Auflösung ihrer Ehen konfrontiert sind. In seinem Gedicht thematisiert Fanar die verschiedenen Realitäten von Frauen*, sei es in Deutschland oder in seinem Heimatland Irak.
Diese Ausgabe ist für alle unbekannten Frauengesichter, die sich für die Verbesserung unserer Welt ihr Leben geopfert haben.
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